Sänger und Musiker
Ob solo, als Duo oder in verschiedenen Bands: Matthias Baselmann ist ein Sänger und Musiker, der sich durch Vielfältigkeit auszeichnet. Seit mehr als vierzig Jahren steht er in verschiedenen musikalischen Arrangements auf der Bühne und teilt seine Freude an der Musik mit dem Publikum. Wie die meisten Künstler steht der Sänger jetzt in einer Ausnahmesituation, die es so noch nie gab.
Oh, das ist mittlerweile schon über zwei Monate her. Das war am 4. März in der ausverkauften Kulturhalle in Stockheim, wo ich solo auftrat. Damals haben wir noch darüber gescherzt, weil es schon einige bekannte Corona-Fälle in Deutschland gab. Gut zehn Tage später haben wir dann wegen Corona ein Konzert mit meiner Allstar-Band in der von meiner Frau betriebenen Gaststätte „Zum Braumeister“ in Bad Soden- Salmünster abgesagt.
Welche Konzerte mussten Sie aufgrund der aktuellen Situation bereits absagen, und wie planen Sie für den Rest des Jahres?
Zunächst hatten ja alle anfangs noch die Hoffnung, dass es bis auf Weiteres wenigstens noch Veranstaltungen in überschaubarer Größe geben dürfe. Somit hätte man als Künstler wenigstens noch die etwas kleineren Veranstaltungen spielen können. Auch Privatfeiern wie Geburtstage oder Hochzeiten hatte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschrieben. Als es aber darauf hinauslief, dass Corona sich immer weiter ausbreitet und seitens der Politik plötzlich auch hier der Riegel vorgeschoben wurde, war klar, dass es für nicht absehbare Zeit erst einmal gar nichts mehr in dieser Richtung geben würde. Was natürlich bedeutet, dass man von heute auf morgen ohne jegliche Einkünfte da steht. Bei mir persönlich kamen ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens dieser Verbote jeden Tag ein bis zwei Absagen herein. Und wenn du dir dann ansiehst, wie dein einst prall gefüllter Terminkalender nur noch aus gestrichenen Terminen besteht, realisierst du mit einem Mal, dass es jetzt eventuell sehr dunkel werden könnte. Und so bin ich umso glücklicher, dass ich meine Frau nun als Essen-Kurier ein wenig bei ihrem Liefer- und Abholservice unterstützen kann.
Glauben Sie, dass in diesen Zeiten, in der der Kulturbetrieb so stark eingeschränkt ist, auch ein Nachdenken über den Wert künstlerischen Schaffens stattfindet?
Musik hat schon zu allen Zeiten Menschen zusammengebracht, oftmals generationsübergreifend. Momentan findet in dieser Hinsicht überhaupt nichts statt. Viele Menschen sind immer noch der Meinung, wir Musiker wären alle nur Gaukler und Scherenschleifer. Ich will es mal ganz vorsichtig ausdrücken: Wer einmal mit einem Musiker/Künstler mit einem durchschnittlichen Auftrittsvolumen von 120 Shows im Jahr unterwegs war, kann im Ansatz vielleicht erahnen, was das bedeutet. Es ist eben nicht nur der dreistündige Auftritt, sondern es hängt noch vielmehr daran. Es ist harte Arbeit, vor allem, weil man jedes Mal versucht, Menschen von etwas zu überzeugen, das man liebt. Man gibt immer auch ein wenig seiner Persönlichkeit und lässt nicht selten auch ein Stück seiner Seele auf der Bühne zurück. Das geht an die Substanz und kostet Kraft. Von daher hoffe ich, dass in dieser Hinsicht ein Umdenken stattfindet. Es gibt da draußen einfach immer noch viel zu viele Menschen, die denken, Musik sei doch keine richtige Arbeit und ein Musiker habe ja immer Spaß usw. Eine leider sehr weit verbreitete Fehleinschätzung. Bleibt zu hoffen, dass diese derzeitige Krise vielleicht ein Umdenken bei den ewigen Nörglern bewirkt. Man sollte eines nicht vergessen: Eine Veranstaltung und deren Qualität und Publikumszuspruch ist immer abhängig vom kulturellen Rahmenprogramm. Ein großes Volksfest kann Dutzende von Getränkenund Essensständen aufbieten – letztlich wird das Publikum aber immer wegen der gebotenen Musik verweilen. Und genau an diesem Punkt setzt meine Bitte nach etwas mehr Wertschätzung an.
Wie bleiben Sie im Moment mit Ihren Fans in Kontakt?
Das gestaltet sich natürlich sehr schwierig. Da bleiben eigentlich nur die sozialen Netzwerke wie Facebook und Instagram. Ab und an gibt’s mal ein Live-Video mit ein paar Songs, nur mit Gitarre und Gesang. Es ist absolut spannend, die vielen Kommentare zu lesen, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Leute da draußen die Live-Events mittlerweile genauso vermissen wie wir Musiker. Durch Whats- App kommuniziere ich mit meinen Kollegen und vereinzelt mit ein paar Hardcore- Fans, die eigentlich auch bei jedem Konzert dabei sind. Aber auch im privaten Bereich hilft das Telefon durch diese schwierige Zeit. Ich glaube, ich habe in der Corona- Zeit bisher soviel telefoniert, wie sonst in fünf Jahren zusammen.
Sie haben eine sehr große Bandbreite an Songs, mit denen Sie auftreten. Gibt es da trotzdem einen oder mehrere Songs, die Sie am liebsten spielen?
Grundsätzlich liebe ich zunächst mal alle Songs, die ich live spiele. Egal, ob mit der Matthias Baselmann Band (MBB), mit Bryan 69 als alter Bryan Adams-Fan oder mit 2nonplugged: Es stehen nur Songs auf den Setlists, hinter denen ich/ wir zu hundert Prozent stehen können. Das merkt man dann auch bei der jeweiligen Performance. Was ich schon immer abgelehnt habe, auch wenn es manch einem vielleicht arrogant erscheinen mag, ist es, Songs zu spielen, die mir buchstäblich gegen den Strich gehen. Dazu gehören beispielsweise die sogenannten „Hits“ vom Ballermann. Da gibt es auch eine kleine Anekdote: Wir haben mit der MBB vor zwei Jahren auf einem riesigen Volksfest in einem restlos ausverkauften 4.000-Mann-Zelt gespielt. Vor uns waren zur „Prime time“ für 60 Minuten zwei wohl bei Insidern bestens bekannte Ballermann- Sternchen gebucht, die dann zu Vollplayback völlig sinn- und niveaulose Texte anstimmten. Das Erstaunlichste, neben der Tatsache, dass die beiden keinen einzigen Ton trafen, war aber, dass 4.000 Menschen jedes Wort mitgegrölt haben. Und ich habe mich gefragt, was da wohl bei mir falsch läuft, denn ich kannte nicht einen einzigen dieser musikalischen Fehlzündungen.
Singen Sie heute auf der Bühne Lieder von Bands, die Sie früher selbst als Fan mitgesungen haben?
Ich habe, seit ich ein Teenager war, so viele musikalische Leitbilder gehabt, dass es den Rahmen dieses Interviews sprengen würde, auf jedes einzelne näher einzugehen. Was ich aber sagen kann, ist, dass es für mich hauptsächlich ein Kriterium dafür gibt, ob ein Titel es in mein Programm schafft oder nicht: er muss mich packen und faszinieren; ich muss mich darin wiederfinden und mich absolut damit identifizieren können. Denn ich glaube, das macht sich dann auch bei der Art der Live-Performance bemerkbar. Dabei spielt es auch überhaupt keine Rolle, aus welchem Genre der Titel stammt. Das ist es meines Erachtens, was beim Publikum den Unterschied macht, ob du als Künstler im Gedächtnis bleibst oder eben nicht. Außerdem ist es mir immens wichtig, dass ein Titel auch in der kleinsten Besetzung funktioniert, im besten Falle dann eben auch nur mit akustischer Gitarre und meiner Stimme. Und das ist bis heute die Art und Weise, wie ich mein Soloprogramm gestalte.
Bei so vielen Live-Auftritten geht doch bestimmt auch einmal etwas schief. Haben Sie ein Beispiel, das Sie uns verraten können und wie Sie diese Situation „überspielt“ haben?
Ich könnte mittlerweile ein Buch darüber schreiben, was mir in den vergangenen 42 Jahren meiner Bühnenkarriere in dieser Hinsicht schon alles passiert ist. Dinge wie „Saite gerissen!“ sind ja harmlos, wenn man mehrere Gitarren dabei hat. Meist spiele ich dann den Song mit nur fünf Saiten zu Ende. Aber es gibt auch Vorfälle, da muss ich selbst Jahre später noch herzhaft drüber lachen. Ich habe mal als Sänger bei einer Rockband ausgeholfen. Das muss so Mitte der 90er gewesen sein. Der Auftritt war in einem großen Festzelt mit einer riesigen Bühne aus Brettern zusammengezimmert. Eine recht wacklige Angelegenheit, die heutzutage überhaupt nicht mehr genehmigt werden würde. Auf jeden Fall machte ich an einer markanten Stelle mitten im Song einen waghalsigen Luftsprung vom Schlagzeugpodest und bei der Landung brach unter mir eines der Bühnenbretter und mein Fuß steckte quasi im Bühnenboden fest. Heutzutage würde ich mir dabei wahrscheinlich alle Knochen brechen, damals hatte ich lediglich eine kleine Verstauchung, mit der ich den Gig aber locker zu Ende bringen konnte. Bei einem Open Air-Konzert mit MBB verspürte ich einmal mitten in einem Song den unwiderstehlichen Drang, auf die Toilette zu müssen. Ich schreie also unserem Gitarristen und unserem Keyboarder zu, sie sollten doch bitte spontan ein dreiminütiges Solo einflechten – ich käme gleich wieder. So schnell war ich noch nie von einer Bühne geklettert. Das Publikum hat es nicht mal gemerkt, dass ich drei Minuten weg war.
Im Jahre 1996 gab es eine Begebenheit, die mich auch heute noch traurig macht: In Gelnhausen war der Hessentag und ich spielte damals in einer Band namens „Charity“. Zusammen mit unserem Leadgitarristen komponierte ich eine Hessentagshymne, die den vielsagenden Titel „Gelnhausen is cool“ trug. Wir produzierten in wochenlanger Studioarbeit noch vier weitere Eigenkompositionen und ließen 20.000 CDs davon fertigen. Wir hatten in zehn Tagen ungefähr 15 Livekonzerte auf dem Hessentag zu absolvieren, um die CD entsprechend zu promoten, denn die Hälfte des Verkaufserlöses wollten wir an die Deutsche Knochenmarkspender-Datei (DKMS) spenden. Höhepunkt dieser Konzertreihe sollte dann das große Open Air auf dem Gelnhäuser Flugplatzgelände werden, welches von Hitradio FFH präsentiert wurde. Mit auf dem Programm standen damals unter anderem Right said Fred, Zucchero, Fools Garden und Nina Hagen. Wir waren mit „Charity“ um 15 Uhr zum Soundcheck an der Reihe und kaum war dieser beendet, fing es an, wie aus Eimern zu regnen – und das stundenlang. Das gesamte Flugplatzgelände stand knöcheltief unter Wasser. Den Verantwortlichen von FFH blieb aus Sicherheitsgründen nichts anderes übrig, als die gesamte Veranstaltung abzusagen. Für uns blieb nur die schöne Erinnerung, als damalige kleine Hobbyband einmal im Lineup eines so großen Events gestanden zu haben.
Sie sind mit Ihrer Band „MBB“, in „Bryan 69“, im Duo „2nonplugged“ und solo aktiv. Wie viele Auftritte kommen da im Jahr zusammen?
Mit den genannten Projekten bin ich nach wie vor unterwegs, wobei ich den Fokus ganz klar auf meine Soloauftritte und die MBB lege. Hier kann ich mich musikalisch nach Herzenslust austoben und mich auch am besten ausdrücken. Nicht jedes Jahr ist gleich stark mit Auftritten belegt, aber zwischen 150 und 200 sind es eigentlich immer. Ich nehme mir jedes Jahr vor, etwas kürzer zu treten, und ich hoffe, dass es mir irgendwann gelingt. Auf jeden Fall bewirkt die derzeitige Corona-Krise bei mir persönlich eine gewisse Gelassenheit, die mir bewusst macht, dass man nicht mehr auf allen Hochzeiten tanzen muss, um zufrieden zu sein. Ich nehme an, dass ich das auch nach Corona in Bezug auf die Anzahl meiner jährlichen Auftritte umsetzen werde. Warten wir es ab.
Herzlichen Dank für dieses freundliche Gespräch!